Effiziente Energienutzung bis ins Detail betrachteten die Teilnehmer der Fachtagung „Produktionsbasiertes Energiemanagement“ Anfang Juli 2009 in Herzogenaurach. Das von der ProLeiT AG veranstaltete Seminar zog dabei eine Bilanz zum Thema Energieeffizienz in Brauereien, Getränkebetrieben und Molkereien und zeigte Möglichkeiten der Implementierung eines Energiemanagementsystem nach DIN 16001 in bestehende Anlagen auf.
Mehr als 50 Teilnehmer sitzen dicht gedrängt im neu eingeweihten Vortragssaal und folgen gespannt den Ausführungen von Dr.-Ing. Winfried Ruß. Der Privat Dozent am Lehrstuhl für Rohstoff-und Energietechnologie an der Technischen Universität München berichtet über „Energieverbrauchsoptimierte Produktionsfahrweise“ und elektrisiert die Zuhörer mit der Zahl „16001“. Dies ist die Ziffer einer vorläufigen europäischen Norm, die die Einführung eines Energiemanagements in Unternehmen regelt. „DIN EN 16001:2008 –Energiemanagement“ soll nach dem Willen der Bundesregierung Unternehmen beim Aufbau von Systemen und Abläufen zur Verbesserung ihrer Energieeffizienz unterstützen und dazu beitragen, Energiekosten und Emissionen an Treibhausgasen zu reduzieren. „Das wirklich Brisante an dieser Norm ist, dass Unternehmen erstmals ihre Energienutzung unabhängig von der jeweiligen Energieform kontinuierlich und nachhaltig verbessern müssen“, so Winfried Ruß. Dies sei jährlich in einem internen Audit zu bestätigen. Damit wird die effiziente Energienutzung zu einem Unternehmensziel, an dem sich künftig Fördermaßnahmen durch Bund und Länder orientieren.
In seinem Einführungsvortrag zeigte Ruß eindrucksvoll auf, dass selbst die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung an ihre Grenzen stoße. „Wer heute nicht langfristige Lieferverträge von nachwachsenden Rohstoffen vereinbart hat, hat keine andere Chance als in energieeffizientere Produktionsbedingungen zu investieren, denn die Anbauflächen sind begrenzt“, so der Redner. Und genau dabei unterstützt die Norm DIN EN 16001 die Unternehmen: Sie bringt Transparenz in den Energiebedarf der einzelnen Gewerke, analysiert die Produktionsfahrweise für unterschiedliche Produkte und zeigt Verbesserungspotenzial auf.
„Ansatzpunkt für eine effiziente Energienutzung in einer Brauerei liegen in der Verbesserung des Wirkungsgrades der Dampferzeuger, in der Substitution der Brennstoffe durch nachwachsende Rohstoffe und in einer Optimierung der Druckluft- und Kälteerzeugung“, so Winfried Ruß. Gerade Druckluft ist die teuerste Energieart, denn nur 5 % der eingesetzten Energie werden letztendlich in Arbeit umgesetzt. Hier gilt es besonders, Verschwendung zu vermeiden. Aber auch die Nutzung der Abwärme ist äußerst effizient. So zeigte Dr. Ruß an zwei Beispielen auf, dass im warmen Abwasser einer mittleren Molkerei über 700.000 Liter Heizöl/Jahr stecken, bei einer Brauerei mit einem Ausstoß von 500.000 hl/a sind es 270.000 Liter. Dieses Potenzial gelte es zu identifizieren und zu heben. Wer heute schon ein Energiemanagementsystem im Einsatz habe, der könne die Maßnahmen besonders gut überprüfen, so Ruß weiter.
Am Beispiel des Sudhauses zeigte Dr. Ruß die Vorgehensweise beim Aufnehmen der Energiebilanz. „Auf den ersten Blick fällt immer der Energiefresser Würzepfanne auf. Doch schaut man sich die prozentualen Anteile der Energieverluste genauer an, so haben Läuterbottich und Würzekühlung weitaus größere Verluste, obwohl wie im Fall des Läuterbottichs keine Energie von außen zugeführt wird.“ Sie steckt im Produkt selbst und kann mit Wärmepumpen oder Parafin-Wärmespeichern zurück gewonnen werden. Energieschädlich sind auch die kurzen Kesselstarts, um den notwendigen Betriebsdruck zu halten. Der Grund sind Rezepturen mit unterschiedlich hohem Energiebedarf. Durch geschicktes Staffeln der Startzeiten in der Produktionsvorbereitung kann man ein großes Einsparpotenzial heben.
Konsequent alle Zustandsdaten überwachen
„Ein zeitgemäßes Energiemanagement ist vielschichtig und nicht beschränkt auf einen bestimmten Energieträger, einen bestimmten Anwendungsbereich oder einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette“, resümierte Winfried Ruß und gab damit Stefan Stenzel von der Fa. ProLeiT das Stichwort für seinen Vortrag. Dieser berichtete über die Online- und Offline-Energiedatenerfassung und deren Auswertung in Brauereien. Grundsätzlich gelte, so Stenzel, dass für die Bewertung der Energieverbräuche eine exakte und vollständige Datenerfassung zwingend notwendig sei. Doch das Problem bei bestehenden Anlagen sei die Vielfalt der Teilanlagen mit ihren unterschiedlichen Automatisierungssystemen, verschiedenen Zähleinrichtungen und proprietären Schnittstellen. Nachrüstung steht meist in keinem Verhältnis zum erwartenden ROI, deshalb muss das Datenmodell des Energiemanagementsystems auch eine gemischte Erfassung zulassen. So können beispielsweise die Stromzähler direkt ausgelesen und die Lastprofile gespeichert werden. Entsprechende Standardmodule stehen mit Plant iT bereit. Mengenzähler für den Verbrauch des Prozesswassers, des Kohlendioxids oder auch des Heißwassers für die Reinigungsprozesse liefern ihre Messwerte ohnehin an die Steuerung der Prozesse.
Darüber hinaus gibt es noch Zähler in verschiedenen Prozessstufen von Produktion, Abfüllung und Verpackung, die beispielsweise offline mit einem PDA ausgelesen und nachträglich eingepflegt werden müssen. Aus den Daten erstellt Plant Acquis iT normierte Datensätze, die in einer SQL-serverbasierten Echtzeitdatenbank gespeichert werden. Auf Knopfdruck können die Daten in ein Excel lesbares Format exportiert werden. Dies gibt den Produktionsleitern die Möglichkeit, selbst Schicht-, auftrags- oder chargenbezogene Abfrage zu erstellen und sich Tage-, Wochen- Monats- oder Jahresberichte ausgeben zu lassen. Mit den entsprechenden Kennzahlen lassen sich auch sehr detailliert Probleme innerhalb einzelner Anlagenteile oder Maschinen aufdecken. Ein Web-Interface von Plant Acquis iT erlaubt es Anwendern, plattform-unabhängig Berichte der verschiedenen Energiebilanzen zu schreiben.
Energiedatenerfassung als Entscheidungshilfe für Investitionen
Soweit zur Theorie. In einem spannenden Vortrag berichtete Frank Jäger vom Energiemanagement bei der AfG-Herstellung. Bei Franken Brunnen in Neustadt/Aisch stand eine Ersatzinvestition für die Wärmeversorgung an. Der bisherige Dampfkessel aus dem Jahre 1978 mit einer Dampfleistung von sechs Tonnen sollte ersetzt werden. „Doch wie groß der neue Kessel dimensioniert sein muss, konnten wir nur abschätzen“, so Jäger. „Wir hatte einen lückenhaften Zählerbaum und Transparenz über die Energiedaten nur bei den Monatsverbräuchen. Eine Zuordnung der Verbrauchswerte auf die einzelnen Anlagen fehlte.“
Um nun eine sichere Entscheidungsgrundlage für den Bedarf zu haben, installierte Franken Brunnen das Energiemanagementsystem von ProLeit. Gleichzeitig wurden Wärmemengenzähler im Kesselhaus eingebaut, um den Energieverbrauch von Heißwasser zu ermitteln. Dampfmengenzähler sollten die Dampfmengen aufnehmen und Gaszähler den Verbrauch der einzelnen Gaskessel messen. Gleichzeitig wurden Stromzähler in den Abgängen der Trafostationen und der einzelnen Anlagen installiert. Angebunden wurden die Zähler über ein bestehendes Bussystem und in das Energiemanagementsystem integriert. Nach einem halben Jahr standen genügend Daten für die Investitionsentscheidung zur Verfügung. Die Auswertung ergab, dass ein Dampfkessel mit vier Tonnen Dampfleistung ausreicht. Der bisherige Heißwasserkessel mit 2.400 kW Wärmeleistung fängt als Ersatz die Winterheizungsspitzen ab und der Altkessel wird redundant vorgehalten.
„Mit dem neuen Energiemanagementsystem können wir auch genau den Energieverbrauch der einzelnen Produkte auf den Produktionsanlagen bestimmen und gezielt Produktionsabläufe optimieren“, sagt Frank Jäger. So fahren beispielsweise verschiedenen Anlagen zeitversetzt hoch, um Leistungsspitzen zu vermeiden. Eine Höchstlastabschaltung überwacht die Lüftung der Produktionsanlagen, die Klimaanlagen im Büro und den Schalträumen sowie die Neutralisationsanlagen für das Abwasser. Ziel ist, Stromspitzen und Leistungsvorbehalt der Gasversorgung am Standort Neustadt/Aisch zu reduzieren. Wenn es gelingt, dass Franken Brunnen seine Stromspitzen von 1.850 kW auf 1.700 kW senkt, spart das Unternehmen jährlich etwa 10.000 Euro. Eine Reduzierung des Leistungsvorhalts von 4.000 kWh Gas auf 3.000 kWh bringt weitere 7.000 Euro.
Installation eines Energiemanagementsystems in Brauereien
„Immer wieder hören wir von Kunden, dass die Einführung eines Energiemanagementsystems zu komplex sei, dass man keine Zeit habe oder Methodik und Fachwissen fehlten“, Michael Sembenotti von ProLeit zu Beginn des nächsten Vortrages. „Doch mit etwas Unterstützung und der richtigen Systematik ist dies eigentlich kein Problem.“ Am Beispiel einer Brauerei aus der Radeberger Gruppe zeigte er das schrittweise Einführen eines Energiemanagementsystems auf. Zunächst müssen alle Primärenergiedaten gesammelt, verwaltet und die Kosten kontrolliert werden. Dazu werden alle M-busfähigen Stromzähler mit Hilfe des Protokolls IEC 1107 vernetzt. Wasser- und Wärmemengenzähler werden in der Prozesssteuerung erfasst und melden ihre Volumen- oder Massenströme direkt und normiert an den Anlagenserver. Auf der Sekundärenergieseite wird der Verbrauch an Heiz- und Sterildampf, Heißwasser sowie Kältemittel und Gasen auf gleiche Weise erfasst.
„Bei der Datenintegration sollte man nicht sofort den großen Wurf ansteuern, sondern schrittweise vorgehen“, so Sembenotti. „Es bringt nichts, gleich alles bis ins Detail zu vernetzen. Es reicht schon für eine erste Abschätzung die Einspeisung und die Hauptabteilungen und Gebäude zu erfassen.“ Schrittweise lassen sich danach weitere relevante Verbraucher in das Prozessleitsystem einbetten. Auf diese Weise entsteht ein intelligentes Lastmanagement mit dem die Energiebilanz optimiert werden kann. So zeigt beispielsweise die elektrische Energiebilanz einer Brauerei der Radeberger Gruppe den prozentualen Stromverbrauch der einzelnen Abteilungen auf und macht sie so vergleichbar. Dies fördert den Wettbewerb der Abteilungen untereinander und die Innovationsbereitschaft der Belegschaft. „Auch dies Teil des operativen Energiemanagements nach DIN 16001, das das Monitoring der aktuellen Verbräuche, die Auswertung geeigneter Kennzahlen und die Durchführung von Benchmarks vorschreibt“, so Sembenotti. „„Bei der Analyse der Daten suchen wir immer nach Lastspitzen, Grenzwertverletzungen und periodischen Verbrauchsanstiegen. Dies gibt schon einen ersten Hinweis auf Optimierungspotenzial, denn periodische Verbrauchsanstiege können zum überwiegenden Teil durch bessere Planung vermieden werden.“ So sei es beispielsweise kein Gesetz, dass am Montagmorgen große Verbraucher gleichzeitig angeschaltet werden müssten. Ein zeitversetzter Schichtbeginn entzerrt erheblich den Energieverbrauch zu Arbeitsbeginn. Parametrierbare Abschaltbedingungen sorgen für Einhaltung der esamtstromaufnahme und für Mindestlaufzeit und Mindeststandzeiten der Systeme. So können z.B. Würzekühlung und Tankreinigung gegenüber „unwichtigeren“ Verbrauchern wie Klimaanlagen oder Gärtankkühlzonen priorisiert werden. „Erst die vollständige Integration vermeidet technologische Störungen und ermöglicht einen koordinierten Lastabwurf und das Fahren von Versorgungseinrichtungen unter optimalen Betriebsparametern“, so Sembenotti weiter.
Installation eines Energiemanagementsystems in Molkereien
Der Vortrag von Roland Riedl interessierte besonders die Verantwortlichen in Molkereien. Hier beträgt der Energiekostenanteil je nach Produktpalette zwischen 1,5 und 5% des Jahresumsatzes – für große Konzerne durchaus Kosten im zweistelligen Millionenbereich. Einsparungen von Strom, Kühlung, Druckluft und Beleuchtung machen sich sofort in der Bilanz bemerkbar. „Meist erkennt man das Einsparpotenzial nicht auf den ersten Blick“, erklärt Riedl. Da gäbe es Aktoren, die sich nur widerwillig bewegen ließen, Messtechnik, die dringend erneuert werden müsse oder noch einzeln verdrahtete Kommunikationswege. Hier sollte man mit wachem Auge durch das Unternehmen laufen und die Geräte auf den neuesten Stand der Technik bringen. Die schrittweise Migration gibt hier dem Betreiber die Möglichkeit, die Wärme von Platten- oder Rohrwärmetauscher, Separatoren und Sprühtürmen zurück zu gewinnen, Verdichterantriebe drehzahlgeregelt zu betreiben sowie die Automation voranzutreiben. „Durch den Einsatz eines Energiemanagementsystems kann man die Verluste besser kontrollieren und eine durchgängige Automatisierungslösung von der Milchannahme bis zur Abfüllung aufbauen“, so Riedl. Die Automatisierungsgeräte erfassen die Daten, die das System dann in einer SQL-Datenbank ablegt und handliche Excel-Tabellen geben dem Bediener einen exakten Überblick über Verbräuche und Verluste. Die einheitliche Datenstruktur erleichtert Zertifizierungen und Prüfungen. Die Änderungen der prozesstechnischen Abläufe können mit Plant iT strukturierter projektiert und bei minimalen Beeinträchtigung der laufenden Produktion schnell implementiert werden. „Wenn die Daten sichtbar sind, ist es für die Unternehmen leicht, auch das Potenzial in den Köpfen ihrer Mitarbeiter zu erschließen und die Prozesse so effizient wie möglich zu machen“, resümierte Riedl.
Fazit
So viele interessante Informationen auf einen Schlag gab es lange nicht. Und für die, die nicht teilnehmen konnten – im März 2010 wird die Fachtagung wiederholt. Vielleicht berichtet dann auch der eine oder andere Teilnehmer des jetzigen Seminars über die Einführung eines Energiemanagementsystems in seinem Unternehmen.